Freitag, 18. September 2015

Freundschaftsdienst

Es ist ja schon seit der Antike bekannt, wenn du jemandem einen Dienst erweist, machst du dir einen Feind, weil er sich  in deiner Schuld fühlt. Es ist einfacher mit dem Dienst unzufrieden zu sein als sich zu bedanken. Dazu eine kleine Geschichte, ob sie erlebt oder erfunden ist spielt eigentlich kaum eine Rolle. Es waren einmal zwei Freundinnen, die eine hatte einen Laden, einen Modeladen mit schönen sehr modischen Kleidern. Nennen wir sie Roswitha, ihre Freundin hiss Eveline. Warum diese zwei so unterschiedlichen Frauen befreundet waren hat kaum eine andere ihrer Bekannten und Freundinnen je verstanden. Roswitha  und Eveline verbrachten sehr viel Zeit zusammen in dem Laden, sie schwatzten und tranken Kaffee und diverse Light-Getränke. Kamen Kundinnen in die Boutique so kümmerte sich Roswitha um sie ,meist kauften diese Frauen auch etwas, manchmal reservierten sie aber nur dies oder jenes, um sich Bedenkzeit zu lassen. Ab und zu, aber eher recht selten, wenn sie zum Arzt oder sonst wohin musste, bat Roswitha ihre Freundin den Laden zu hüten. Eveline sagte nie nein, denn insgeheim beneidete sie ihre Freundin um diese schöne Boutique, die sie nur dank ihres Mannes Grosszügigkeit, vor einigen Jahren eingerichtet hatte.        Ja Roswitha hatte alles, einen Mann, zwei Kinder und diese beneidenswert tolle Boutique. Eines schönen Tages fragte Roswitha ihre Freundin ob sie einverstanden wäre, die Boutique für  ein ganzes Jahr zu hüten, denn sie und ihr Mann wollten mit den fast schon erwachsenen Kindern zusammen eine grössere Reise unternehmen—so was wie eine letzte gemeinsame Zeit bevor die Kinder studierten—. Eveline war natürlich Feuer und Flamme und sagte sofort zu. Allerdings musste sie dazu auch die neue Mode für die nächsten Saisons einkaufen. Roswitha erklärte ihr alles und empfahl ihr, den Verkäufern, die sie schon seit Jahren kannte, zu vertrauen was Menge Grössen und Auswahl betraf. Die Familie verreiste und Eveline kümmerte sich um die Boutique. Bald merkte sie, dass die Stammkundinnen kaum je etwas kauften, nein sie reservierten und dann traten sie vom Kauf zurück, dies fast systematisch. Auch kamen immer weniger der Stammkundinnen, die Eveline ja auch vom Sehen her kannte, in den Laden. Es war für Eveline unverständlich und sehr frustrierend. Selbst im Ausverkauf konnte sie nur wenig—vor allem an Laufkundschaft—loswerden. Trotzdem musste sie die neue Kollektion einkaufen. Sie war sicher, dass die von Roswitha gekauften Sachen nicht dem Kundenwunsch entsprachen und so schlug sie die Ratschläge der Verkäufer in den Wind und suchte selbst, nach ihrem Geschmack, aus. Nichts, oder fast nichts der so gut ausgesuchten Sachen brachte Eveline an den Mann, beziehungsweise, richtiger, an die Frau. Als Roswitha, nach  einem Jahr zurückkam, hatte ihr ihre LADENHÜTERIN statt gute Umsatzzahlen nur sehr viele LADENHÜTER zu präsentieren.     Komisch ,dass die Freundschaft danach nicht mehr so richtig innig weiterging.


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