Mittwoch, 16. September 2015

Vorstellungstermin

Nie zuvor und auch fast vierzig Jahre danach habe ich so etwas gesehen. Es war komisch und erschreckend zugleich, das schwierigste  dabei    war,  selbst das Gesicht zu wahren, während das Gesicht des Protagonisten zerfiel, zerbröckelte und einfror.   
     Ja damals Ende der Siebzigerjahre, ich war seit fünfzehn Jahren schon in der selben Firma im Aussendienst und fühle mich etwa so wie ein altes Möbelstück behandelt, das zwar immer da ist, welches man aber nicht mehr pflegen muss. Als mich dann ein Kollege einer anderen Pharmafirma fragte, ob ich nicht Interessiert wäre mit ihm zusammen in seiner Firma zu arbeiten, entschied ich, mich dort zu bewerben. Der Kollege sagte mir allerdings, er habe schon mehrere Kollegen befragt und diese seien auch schon zu einem Bewerbungsgespräch angetreten, aber er würde alles stoppen, sollte ich mich bewerben, denn er habe mich seit Jahren als kompetenten und beliebten Mitarbeiter kennengelernt und da wir ja zusammenarbeiten würden wäre er froh es mit mir und nicht mit –er nannte mir die anderen Kandidaten—so mittelmässigen. Warum er mehrere Kandidaten angesprochen hatte erfuhr ich erst viel später, ja die Firma zahlte für jeden valablen Kandidaten dreihundert Franken und für den Kandidaten auf den die Wahl fiel zweitausend. Weil nun mein zukünftiger Kollege eine sehr enge Beziehung zum Materiellen hatte, schickte er mehrere Kandidaten nach Basel um sich mehr Geld zu sichern, denn alle waren irgendwie als valabel einzustufen, arbeiteten sie doch seit Langem in anderen Firmen.      

Also ging ich nach Basel zu einem Gespräch, ich wurde von mehreren Personen getestet und dann gefragt, ob ich einverstanden sei, da ich in die engere Wahl komme, zu einer renommierten Psychologin zu gehen. Ich war einverstanden, würzte aber mein Einverständnis mit einem kleinen Psychotest, ja ich bat—um keinen Arbeitsausfall bei meinem jetzigen Arbeitsgeber zu haben— und da es meine Ehrlichkeit nicht zuliess einfach frei zu nehmen, an einem Samstag oder Abends nach Achtzehn Uhr zu diesem Test zu gehen. Dies beindruckte meine eventuell zukünftige Chefin ausserordentlich. Nach absolviertem Test bei einer sehr charmanten älteren Psychologin, die dem Namen nach zum „Basler Daig“ gehörte, wurde ich zu einem finalen Gespräch nach Basel eingeladen, an einem Samstag!! Um zehn Uhr früh fand ich mich in der Firma ein und wurde von der Chefin persönlich abgeholt, weil der Pförtner—der ja sonst samstags nie da sein musste—verspätet kam.  Ihre Psychologische Beurteilung ist sehr positiv sagte mir die Chefin schon im Fahrstuhl in die obere Etage. Man bot mir Kaffee an und fragte mich ob ich die Stelle—zu den schon bekannten sehr guten Konditionen—annehmen wolle. Ich bejahte und unterschrieb sofort den vorbereiteten Vertrag. Innerlich frohlockte ich, da ich mit einem Schlag, nur schon mit dem Grundlohn und den grosszügigen Spesen  etwa fünfundzwanzig Prozent mehr verdienen würde; dazu kamen ja noch—hoffentlich erreichbare— Prämien. Wir, der Personalchef, der Direktor und meine „jetzt“ Chefin plauderten noch angeregt, bis etwa viertel vor elf. Dann verabschiedete ich mich und nahm den Lift zum Ausgang.  Als  der Fahrstuhl sich öffnete stand ein Kollege, den ich natürlich seit Jahren kannte, vor der  Tür. Als er mich sah und erkannte fror sein Lächeln ein   und dann wurde sein Gesicht  plötzlich wie versteinert und er sagte. Du bist also der andere in der Endrunde, dann ist es ja für mich gelaufen, ich muss gar nicht mehr   hinaufgehen.  Ich versuchte ihn zu beruhigen, sagte nicht dass ich unterschrieben habe und wollte mich verabschieden. Aber er klammerte sich an mich und  sagte, dass meine absolute Zweisprachigkeit sicherlich ein grosser Vorteil sei.                                                              Ich liess ihn in diesem Glauben und schützte Beschäftigung vor, als er mich bat, doch auf ihn zu warten.          

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