Freitag, 11. September 2015

Streber

Alle in der Schule hielten Dieter für ein Riesen-AL. Selbst den Lehrern ging dieser fiese Streber auf den Sack, auch die Lehrerinnen fanden ihn zum Kotzen. Lag es an seinem familiären Hintergrund, denn seine Eltern waren sehr streng mit ihm? Der Vater war höherer Polizeibeamter, einer von der unangenehmsten, sadistischen  Sorte, die Mutter hingegen war das was man früher als Waschweib bezeichnete, sie arbeitete Halbzeit als Hilfskraft im Kirchgemeindehaus der Reformierten Kirche. Bigott waren schon die Grosseltern gewesen, das heisst sie waren es noch immer. Beide Opas waren Lehrer und ihre Frauen die Omas hatten sich um Haushalt und Kinderdressur gekümmert; ja Erziehung war in diesen Familien ein totales Fremdwort gewesen. So waren die beiden Opas, die ja ein Leben lang in derselben Schule unterrichtet—eigentlich gewütet—hatten und der Vater im Kirchenrat und kontrollierten alles was in der Gemeinde passierte. In welcher politischen Partei sie militierten sei dahingestellt, wo immer es war, sie, die beiden Opas und der Vater, hatten das Sagen! Nun zurück zu unserem „Goldstück“ Dieter. Er nahm sich alles was er zuhause mitbekam sehr zu Herzen, besonders wenn die zwei  Opas ihrem Sohn, seinem Vater, beziehungsweise Schwiegersohn zuhörten als der erklärte  wie er Verdächtigen Fallen stellte und die Freude die er fast schon körperlich empfand wenn die Schuldigen dann auch in die gestellte Falle tappten und so der gerechten Strafe zugeführt werden konnten. Dieter machte es genauso, er spionierte die Mitschüler aus und petzte nicht etwa im Geheimen, nein er meldete sich vor der ganzen Klasse zu Wort, um dem Lehrer die Sündenböcke zu nennen welche dies oder das angestellt hatten. Auch in der Freizeit musste man sich vor Dieter in Acht nehmen, er versteckte sich da wo er glaubte, oder gar wusste, dass die Mitschüler nach der Schule ihre verbotenen Streiche und Ungezogenheiten anstellten. Dieter machte im Religionsunterricht sehr eifrig mit und petzte dem Pfarrer alle schlimmen Worte und Taten seiner Mitschüler. Der Pfarrer war ein alter vergrämter humorloser kinderloser Witwer, seine Frau war vor vielen Jahren, noch sehr jung, verstorben und es war für ihn Labsal diese bösen Kinder, die Dieter ihm mit allen Einzelheiten ans Messer lieferte, gebührend zu ermahnen oder gar zu bestrafen. Das schlimmste war, wenn der Herr Pfarrer sich für einen Besuch bei den Eltern des Sündenbockes ankündigte. Ja Dieter war der aufrechte Helfer der Schule und der Kirche. Er musste viel lernen, drei Mal wöchentlich bei dem einen und vier Mal wöchentlich bei dem anderen Opa, der ihn auch am Sonntag in Religion unterrichtete. Dadurch  war er den anderen meilenweit voraus und hatte doch noch Zeit zu intrigieren. Inzwischen war man im sechsten Schuljahr, wo der Weizen von der Spreu getrennt werden musste, die einen kamen ins Gymnasium, die anderen entweder in die Sekundarschule oder—die weniger begabten—in die Realschule. Vor dem Abschluss des Schuljahres der Klasse war ein Ferienlager anberaumt, alle Schüler waren dabei. Eine Woche Wanderung im schönen Hinter-Rheintal. Alle, Schüler und Lehrer kamen erholt von dieser Erfahrung nach Hause, nicht so Dieter, er war unglücklich ausgerutscht  und  tief ins Tal gestürzt. Die religiöse Abdankfeier war sehr ergreifend mit dem Gesang der vereinten Schulklassen „ Ich hat einen Kameraden“. Warum dann auf dem Friedhof eine so fröhliche Stimmung herrschte blieb den Eltern und den Grosseltern ein Geheimnis, sie dachten sicherlich dass die Erinnerung an ihren über alles geliebten Dieter alle so fröhlich gestimmt hatte.

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