Sonntag, 24. Januar 2016

Das wars dann wohl

Rosa sass wie fast an jedem Tag –ausser wenn es regnete—auf ihrer Parkbank. Ihre Aufgabe war es, die beiden Zwillinge, ein Mädchen und ihren Bruder sowie die drei Kleinkinder, deren Geschwisterchen,  zu hüten und bewachen. Es war ihre Parkbank, denn als sie noch ein junges Ding war, diente gerade diese Parkbank ihr und ihrem Verführer als Liebesnest. Oft, in ihren Tagträumen sah sie ihren Manfred, wie er sie –trotz des gespielten Widerstands Rosas— sanft auf die Bank drückte und sie beide in den siebten Himmel entführte. Dies war aber schon so lange her, Rosa war inzwischen eine „alte Jungfer“ wie man damals noch sagte. Als ihr Manfred in den Krieg einberufen wurde, schwor er ihr ewige Liebe und Treue, aber was sind schon Schwüre junger Männer wert, die nur das eine  wollen und meist auch sehr leicht kriegen? Eigentlich hatte Rosa viel Glück im Unglück gehabt, nicht wie viele ihrer Freundinnen, sie war, trotz Unvorsichtigkeit nicht schwanger geworden. Ob Manfred oder sie oder aber Glück und Zufall daran schuld waren weiss Rosa bis heute nicht. Nach dem Krieg fand Rosa eine Stelle als Kinder und Haus-Mädchen im Haushalt eines berühmten Professors, der kaum je zuhause war, denn er arbeitete fast Tag und Nacht in der Universitätsklinik. Öfters, wenn der Professor spät nach Hause kam, seine Frau war längst schlafengegangen, verirrte er sich in die Dachkammer zu Rosa, die zwar nicht viel Spass am –meist kurzen aber intensiven— Beischlaf hatte, der aber die menschliche Nähe ein physisches Bedürfnis war. An den seltenen Abenden, wenn Besuch zum Nachtmahl erwartet wurde, musste Rosa –wohlversehen mit Häubchen und Schürzchen—bei Tisch aufwarten. Gross war der Schock, als eines Abends „ihr“ Manfred an der Tür klingelte. Er war der engste Mitarbeiter des Professors und deshalb zur heutigen Abendgesellschaft geladen worden.                                                                                                       Manfred erkannte „seine ewige Liebe“ nicht wieder, überliess ihr Hut und Mantel und, später nach dem Essen ein beleidigend mickriges Trinkgeld. Dies, und die Anschuldigung des Professors—als er von seiner Frau in Rosas Bett erwischt wurde—diese Schlampe hat mich hinterlistig verführt, öffnete Rosa die Augen und schloss ihr das Herz. In sehr vielen Familien tat sie Dienst, immer im selben Villen-Quartier, ob nur als Kinderbetreuerin oder auch als Hausmädchen war ihr einerlei. Gelegenheitsliebschaften hatte sie immer mal wieder, sei‘s mit noch rüstigen Rentnern sei‘s mit Arbeitern die im Park ihr mitgebrachtes verzehrten; zimperlich war Rosi nie ,aber der Mann musste ihr irgendwie gefallen. Das einzig wichtige war die menschliche Wärme und Nähe, Sex war eigentlich nur dazu da dies zu bekommen. Rosis grösstes Problem war, dass es  kaum noch Familien gab, die Hausangestellte brauchten, es war irgendwann einfach nicht mehr üblich. Glücklicherweise kam dann, als sie schon beinahe verzweifelt war, diese Diplomatenfamilie mit ihren sieben Kindern, ja drei davon waren dann noch nach den Zwillingen gekommen sodass Rosa alle Hände voll zu tun hatte, Zeit zum Träumen und für flüchtige Liebschaften blieb kaum noch. Nur eben auf ihrer Bank, wenn die fünf Kleinen zu hüten waren schweiften ihre Gedanken manchmal in die –weitentfernte-  Vergangenheit. In einem luziden Moment sagte sich die alternde Rosa  schwer seufzend, “ Das wars dann wohl“ wobei sie sicherlich ihr verpfuschtes Leben meinte.

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