Wie,
ja wie bekomme ich das was ich so dringend brauche, ohne meinen Ruf zu
gefährden, fragte sich Edeltraut. Edeltraut war vor vielen Jahren aus ihrem
heimatlichen Allgäu als Dienstmädchen in diese Pfarrersfamilie in einer
Kleinstadt der Ostschweiz gekommen. Bei der Geburt des sechsten Kindes, welche
die alte Hebamme, wie schon bei den fünf anderen Kindern betreute, ging alles
schief. Der Arzt konnte nicht erreicht werden, denn er war schon zu einer
anderen Gebärenden gerufen worden und der andere Arzt war Katholik! —also nicht
geeignet ein Pfarrerskind zur Welt zu bringen. Es war schrecklich, die Hebamme
rang hilflos die Hände und musste zusehen wie die Pfarrersfrau verblutete und dann starb. Nun war Edeltraut—sie hasste ihren
Namen—plötzlich mit dem nicht mehr jungen Pfarrer und den sechs Kindern
zwischen null und dreizehn Jahren alleine. Edeltraut war ja selbst noch beinahe
ein Kind mit ihren knapp neunzehn Jahren, aber sie hatte viel Energie und war
äusserst hilfsbereit, war sie doch in einer der wenigen protestantischen
Familien im Allgäu sehr streng christlich erzogen worden. Ja ihre Eltern hätten
sie nie in die ferne Schweiz ziehen lassen, wenn nicht ihr eigener Pfarrer
diese Stelle bei einem seiner
Studienfreunde in diesem Pfarrhaushalt
in der Schweiz vermittelt hätte. Erst einige
Monate nach der Beerdigung, die Abdankungsrede hatte der Freund aus dem Allgäu gehalten , fand der
Witwer den Weg zur Kammer von Edeltraut, er klopfte zaghaft an und nachdem die
erschreckte Edeltraut die Tür geöffnet hatte um nachzusehen wer da geklopft
haben könnte, trat er zögernd in die
Schlafstube ein. Er suchte Trost, Edeltraut schlug gemeinsames Beten vor und so
begann die Gewohnheit, jeden Abend, nachdem die Kinder im Bett waren, gemeinsam
zu beten. Irgendwann kam es zum ersten Kuss und bald danach lag der Pfarrer im
schmalen Dienstbotenbett. Es wurde zur Gewohnheit, aber es muss zur Ehre des
Witwers gesagt werden, dass er nie das doch viel bequemere Ehebett entehrt hat.
Ehelichen wollte der Pfarrer sie nicht,
das hätte böses Gerede nach sich gezogen. Auch Edeltraut fand dass es so wie es
war bleiben sollte, denn niemand mutete dem trauernden Witwer etwas Unlauteres
zu und Edeltraut fühlte sich in diesem Leben recht wohl. Jahre später, als der
Pfarrer alt geworden war und die fünf Knaben allmählich in die Pubertät
kamen—ja nur das letzte Kind—die Muttertöterin war ein Mädchen, führte Edeltraut
einen nach dem anderen der heranwachsenden Knaben auf anschaulichste Art und
Weise in die Mysterien des Lebens ein. Dass Edeltraut trotz mangelnder
Vorsichtsmassnahmen nie schwanger wurde ist sicherlich ein Zeichen Gottes, dass
sie nichts Falsches tat, so dachte sie tief in ihrem Herzen. Wie glücklich war
Edeltraut, die ihr bisheriges Leben im Pfarrhaus verbracht hatte bis der letzte
der Söhne zum Studieren in die Stadt gegangen war und der alte Pfarrer mit der auch schon bald
erwachsenen Tochter in eine kleinere Wohnung ziehen musste, dass der neue
Pfarrer sie bat auch dem jungen
Pfarrhaushalt zu dienen. Alles blieb für sie beim alten, ihre ihr liebgewordene
Kammer musste sie nicht aufgeben, und bald
schon fragte sich Edeltraut , wie sie auf diskrete Art und Weise zu Liebhabern kommen könnte—die
ihr geregeltes Leben nicht in Frage stellten—und ihr doch Befriedigung
bescheren würden. Witwer—daran hatte sie sich ja gewöhnt—war die Antwort. Zwar
starben meist die Männer zuerst, aber es gab auch Fälle bei denen es gerade
umgekehrt war. Da Edeltraut nach wie vor im
Pfarrhaus lebte, wusste sie natürlich immer welche protestantische
Verstorbene einen Witwer zurücklässt. Weil Edeltraut schon seit sie im
Pfarrhaushalt arbeitete auch in der Kirchgemeinde sehr aktiv war kam sie auf
ganz natürliche Art in Kontakt mit den Witwern. Sie traf sich mit den Trauernden
zum Tee, spendete Trost und, ja und musste dadurch auf nichts verzichten, weder
aufs ankuscheln noch auf die ehrenhafte Position die sie sich in der Gemeinde
und im Pfarrhaus erworben hatte. Nur in sehr seltenen Fällen, wenn keine Witwer
zur Verfü(hr)(g)ung standen, kümmerte sie sich recht gerne auch mal um Konfirmanden.
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