Montag, 25. Januar 2016

Im Dienste Gottes und der Familie

Wie, ja wie bekomme ich das was ich so dringend brauche, ohne meinen Ruf zu gefährden, fragte sich Edeltraut. Edeltraut war vor vielen Jahren aus ihrem heimatlichen Allgäu als Dienstmädchen in diese Pfarrersfamilie in einer Kleinstadt der Ostschweiz gekommen. Bei der Geburt des sechsten Kindes, welche die alte Hebamme, wie schon bei den fünf anderen Kindern betreute, ging alles schief. Der Arzt konnte nicht erreicht werden, denn er war schon zu einer anderen Gebärenden gerufen worden und der andere Arzt war Katholik! —also nicht geeignet ein Pfarrerskind zur Welt zu bringen. Es war schrecklich, die Hebamme rang hilflos die Hände und musste zusehen wie die  Pfarrersfrau verblutete und dann  starb. Nun war Edeltraut—sie hasste ihren Namen—plötzlich mit dem nicht mehr jungen Pfarrer und den sechs Kindern zwischen null und dreizehn Jahren alleine. Edeltraut war ja selbst noch beinahe ein Kind mit ihren knapp neunzehn Jahren, aber sie hatte viel Energie und war äusserst hilfsbereit, war sie doch in einer der wenigen protestantischen Familien im Allgäu sehr streng christlich erzogen worden. Ja ihre Eltern hätten sie nie in die ferne Schweiz ziehen lassen, wenn nicht ihr eigener Pfarrer diese Stelle bei einem seiner  Studienfreunde in diesem  Pfarrhaushalt   in der Schweiz vermittelt hätte. Erst einige Monate nach der Beerdigung, die Abdankungsrede hatte der  Freund aus dem Allgäu gehalten , fand der Witwer den Weg zur Kammer von Edeltraut, er klopfte zaghaft an und nachdem die erschreckte Edeltraut die Tür geöffnet hatte um nachzusehen wer da geklopft haben könnte, trat er zögernd  in die Schlafstube ein. Er suchte Trost, Edeltraut schlug gemeinsames Beten vor und so begann die Gewohnheit, jeden Abend, nachdem die Kinder im Bett waren, gemeinsam zu beten. Irgendwann kam es zum ersten Kuss und bald danach lag der Pfarrer im schmalen Dienstbotenbett. Es wurde zur Gewohnheit, aber es muss zur Ehre des Witwers gesagt werden, dass er nie das doch viel bequemere Ehebett entehrt hat.  Ehelichen wollte der Pfarrer sie nicht, das hätte böses Gerede nach sich gezogen. Auch Edeltraut fand dass es so wie es war bleiben sollte, denn niemand mutete dem trauernden Witwer etwas Unlauteres zu und Edeltraut fühlte sich in diesem Leben recht wohl. Jahre später, als der Pfarrer alt geworden war und die fünf Knaben allmählich in die Pubertät kamen—ja nur das letzte Kind—die Muttertöterin war ein Mädchen, führte Edeltraut einen nach dem anderen der heranwachsenden Knaben auf anschaulichste Art und Weise in die Mysterien des Lebens ein. Dass Edeltraut trotz mangelnder Vorsichtsmassnahmen nie schwanger wurde ist sicherlich ein Zeichen Gottes, dass sie nichts Falsches tat, so dachte sie tief in ihrem Herzen. Wie glücklich war Edeltraut, die ihr bisheriges Leben im Pfarrhaus verbracht hatte bis der letzte der Söhne zum Studieren in die Stadt gegangen war und  der alte Pfarrer mit der auch schon bald erwachsenen Tochter in eine kleinere Wohnung ziehen musste, dass der neue Pfarrer  sie bat auch dem jungen Pfarrhaushalt zu dienen. Alles blieb für sie beim alten, ihre ihr liebgewordene Kammer musste sie nicht aufgeben, und  bald schon fragte sich Edeltraut , wie sie auf diskrete  Art und Weise zu Liebhabern kommen könnte—die ihr geregeltes Leben nicht in Frage stellten—und ihr doch Befriedigung bescheren würden. Witwer—daran hatte sie sich ja gewöhnt—war die Antwort. Zwar starben meist die Männer zuerst, aber es gab auch Fälle bei denen es gerade umgekehrt war. Da Edeltraut nach wie vor  im  Pfarrhaus lebte, wusste sie natürlich immer welche protestantische Verstorbene einen Witwer zurücklässt. Weil Edeltraut schon seit sie im Pfarrhaushalt arbeitete auch in der Kirchgemeinde sehr aktiv war kam sie auf ganz natürliche Art in Kontakt mit den Witwern. Sie traf sich mit den Trauernden zum Tee, spendete Trost und, ja und musste dadurch auf nichts verzichten, weder aufs ankuscheln noch auf die ehrenhafte Position die sie sich in der Gemeinde und im Pfarrhaus erworben hatte. Nur in sehr seltenen Fällen, wenn keine Witwer zur Verfü(hr)(g)ung standen, kümmerte sie  sich recht gerne  auch mal um Konfirmanden.

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