Montag, 11. Januar 2016

Liebe oder was ?

Er hing an ihr—seiner Laura—wie ein Junkie an der Nadel oder wie ein Tropfen an der Nase eines Greises. Alles machte er für sie, seit sie ihn vor vielen Jahren aus dem Grossstadtsumpf in diese kleine Berggemeinde hinauf geschleppt hatte. Er war den Drogen und dem Alkohol verfallen gewesen.  Warum ihn Laura so energisch davon losgeeist hatte lag für kluge Beobachter auf der Hand. Nicht zu gedröhnt war Luis ein Prachtkerl. Ja selbst die vielen Jahre seines Abdriftens in die Halbwelt hatten seinem Aussehen nicht geschadet, höchstens ein melancholischerer Ausdruck überschattete sein schönes markantes Gesicht. Laura hatte ihn damals sofort gebeten, den ungepflegten Bart wegzumachen, sie wusste dass er darunter einfach hinreissend aussehen würde. Wer war nun eigentlich Laura? Laura war eine Aussteigerin, sie war Anwältin gewesen hatte es aber—wohl aus Leidenschaft für Dunkles— nie fertiggebracht die nötige Distanz zu ihren Klienten—durchs Band schwere Jungs—zu wahren. Als sie dann das recht ansehnliche Vermögen eines, vor langer Zeit weggejagten und seither als verschollen gegoltenen „Onkels aus Amerika“ erbte war ihr Entschluss schnell gefasst; sie ging abrupt weg und kaufte einen kleinen Bauernhof in einem Bergdorf. Ab und zu zog es sie natürlich in den Sündenpfuhl der Grossstadt zurück, ihrer ehemaligen Wirkstätte, aber immer unter „ehrenhaften“ Ausreden, in Wahrheit eigentlich um sich mal wieder einen Kerl zu nehmen. Und so hatte sie in einer bekannten Kaschemme diesen Luis gesehen und nicht mehr losgelassen. Glücklich, ja glücklich, waren die beiden wohl zusammen bis Laura in sehr kurzer Zeit  ganz gelb wurde und zu schwach war um sich auf den Beinen zu halten. Die Verdachtsdiagnose—Leberkrebs—stellte, ganz richtig, der alte leicht vertrottelt wirkende, aber immer noch sehr fitte Dorf Arzt. Es ging schnell, sodass nur noch wenig Zeit blieb zu heiraten und das wollte Laura unbedingt damit Luis Haus und Hof erben und sein gesundes Leben weiterführen konnte. Erst jetzt merkte Luis, dass er nicht nur seine Liebe sondern vor allem seine Lebens-Stütze verloren hatte. Schon kurz  nach der Beerdigung kamen ehemalige Freunde aus der Drogenszene um ihre Ware anzubieten. Luis schmiss alle raus, wer nicht schnell genug weg ging musste damit rechnen den steilen Bergpfad hinuntergestossen zu werden. Luis war ja inzwischen clean, nur dem Alkohol dem blieb er treu, allerdings sehr massvoll. Ohne seine Laura fand er sein Leben fad, wofür fragte er sich soll ich noch weitermachen? War es ein Unfall oder doch ein Freitod, man fand, was die wilden Tiere von ihm übriggelassen hatten, im Frühjahr, nach dem der Schnee geschmolzen war in der tiefen Felsschlucht wo  sich im Winter kaum jemand hin verirrte. Er hatte so viele  Verletzungen von dem Sturz davongetragen—auch das Genick war gebrochen—, dass man davon ausging er sei sofort tot gewesen.

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