Er war
Lehrling, heute würde man sagen AZUBI, schrecklich alles neu zu benennen. Er
arbeitete in seinem Lehrbetrieb einer kleinen Quartiers-Drogerie. Sein
Lehrmeister liess ihm die Freiheit sich sein Wissen meist alleine anzueignen.
Der Lehrmeister war Anfang fünfzig, hatte eine Frau, aber keine Kinder, und er hatte immer wieder mal eine Geliebte.
Dieser Umstand hinderte ihn klar zu denken, er war total schwanzgesteuert. Für den Lehrling war es eine ideale Situation.
Er musste oft ,wenn der Chef seinen
Trieben folgte, die Drogerie um 12:15
schliessen und schon um 13:45 öffnen,
dadurch hatte er eine zu lange Arbeitszeit und konnte auch nicht zum
Mittagsessen nach Hause gehen. Der Chef hatte ihm gesagt: „wenn ich nicht vor
zwölf Uhr da bin nimmst du Geld aus der Kasse und gehst essen“ .In den vier
Lehrjahren hat er ihn nur zwei oder dreimal gefragt wo, was und für wieviel Geld
er essen gegangen war; mal teuer mal billig, es war nie ein Problem. Aber zeitweise
war der Lehrmeister auch häufiger im Geschäft, sei es dass seine „Freundinnen“ mit der
Familie im Urlaub waren, sei es das dicke Luft zu Hause oder bei den
Freundinnen herrschte. In diesen Zeiten brachte der Chef ihm sehr viel bei und
sagte ihm oft schon lange vor Arbeitsschluss „falls du noch etwas liefern musst,
kannst du schon jetzt gehen und musst nicht zurückkommen. Im ersten Lehrjahr
wurde der Chef kurz vor Weihnacht krank, eine sehr starke Grippe fesselte ihn
ans Bett .Und so musste der Lehrling das ganze Weihnachtsgeschäft allein
bewältigen; einzige Hilfe war die Putzfrau, sie half Geschenkpackungen zu
machen. Es war damals üblich in Drogerien schöne Geschenkpackungen anzubieten,
das wurde auch von den Kunden erwartet. Als der Chef am dreissigsten Dezember
zur Arbeit kam war er noch nicht voll genesen, trotzdem musste in der Nacht von
Silvester das damals obligate Inventar gemacht werden. Alles musste von Hand
und im Kopf gemacht werden—Computer gab es noch lange nicht—Nach dieser
Nacharbeit gab ihm der Chef fünf hundert Franken, damals ein Vermögen, und sagt
ihm: „nimm Ferien bis das Geld aufgebraucht ist“. Heute
würde man sagen –ein cooler Lehrmeister—. Eines Tages kam eine Kundin mit drei
ihrer „antiautoritär“ erzogenen Kinder, in die Drogerie gehetzt, die mit allem
was in den Regalen erreichbar war spielten. Es war April und soeben fing ein Platzregen an. Die Mutter sagte „Oh mein Gott“ was soll ich nur machen, ich habe den
Kleinsten im Wägelchen auf dem Balkon. Der Lehrling antwortete „warten sie doch
bis der Regen vorbei ist sonst werden noch alle nass“. Dass dies ironisch
gemeint war merkte sie nicht. Da an diesem Tag der Chef ausnahmsweise anwesend
war nahm er kurzentschlossen ihren Hausschlüssel und raste mit seinem Moped durch den heftigen Gewitterregen das
kleine Kind zu „Retten“. Von dem doch eigentlich gebräuchlichen Wörtchen
„Danke“ hatte sie wohl nie etwas gehört.
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