Montag, 26. Januar 2015

Altersheim

Ein ganzes Leben lang, so glaubte sie, war sie im Rampenlicht als grosse Schauspielerin gefeiert worden. Das mit Schauspielerin stimmte bis zu einem gewissen Grad, sie hat ihr Leben lang an drittrangigen Bühnen in kleinen Nebenrollen rumgetingelt. Und genauso war ihr Liebesleben verlaufen. In ihrer Erinnerung hatte sie glamouröse Männer gehabt, die Realität sah leider ganz anders aus. Ja schon mit zarten siebzehn Jahren, sie hatte  gerade ihr zweites  Engagement als Statistin, wurde sie vom Regieassistenten verführt—nein nicht verführt—sie wollte ja unbedingt Karriere machen und dazu war ihr nichts zu schade. Ihr Liebhaber wurde an ein anderes Theater berufen, seine Karriere kam in Schwung, sie blieb geschwängert zurück, allen Beteuerungen zum Trotz vergass er es, sie nachkommen zu lassen, ja er vergass wohl auch ihre Existenz. Bella, so war der Name den ihre Mutter ihr gegeben hatte. Die Mutter war nicht ganz unschuldig an ihren Träumen, denn sie hatte ihren eigenen, nicht erfüllten, Berufswunsch dem Töchterchen eingeredet und sie schon vorausschauend mit einem Künstlerinnen Namen versehen. Sie blieb also  allein und schwanger zurück. Ein Sohn, Eric, wurde geboren, den die Grossmutter, die zwar noch jung aber schon verwitwet war, wie ihren eigenen Sohn aufzog; ja Eric nannte sie auch Mama, Bella war seine Tante. Bella war, ihrem Namen gerecht ein recht hübsches und anziehendes junges Fräulein. Damals in den Fünfzigerjahren nannte man alle unverheirateten ob alt oder jung eben Fräulein. Es mutet heute grotesk an, dass ältere Lehrerinnen, Krankenpflegerinnen, Serviererinnen Verkäuferinnen, Ärztinnen  einfach alle unverheirateten Frauen mit Fräulein angesprochen wurden. Einige berühmte Frauen bestanden sogar darauf, wie Mademoiselle CHANEL,die trotz berühmter Liebhaber wie  Igor Stravinsky und vielen anderen, immer Mademoiselle blieb und auch als solche auf dem Lausanner Friedhof Bois-de-Vaux  neunzehnhunderteinundsiebzig beerdigt wurde.                                              Aber zurück zu Bella. Durch ihre direkte und offene Art fand sie immer wieder Arbeit als Schauspielerin in zweit und drittrangigen Theatern und Rollen. Ihre vielen Liebhaber in die sie Karrieremöglichkeiten projizierte, waren leider auch nur drittrangig was sie, in ihrer Verblendung, immer erst dann merkte wenn die vielen Versprechungen sich als Fantasiegebilde oder gar krasse Lügen entpuppten. Der einzige Lichtblick in ihrem tristen Leben war Eric, den sie noch immer als ihren Neffen bezeichnete. Er war äusserst begabt und hatte durch sein Talent und die Unterstützung eines Lehrers die nötigen Stipendien erhalten um ein Wirtschaftsstudium zu machen, er schloss mit Auszeichnung ab und erhielt deshalb ein grosszügiges Stipendium aus den USA.  Ja“ The Harvard Business School „lud ihn ein zum Weiter-Studium; er wurde in Rekordzeit Assistent Professor. Was er an Intellekt hatte fehlte ihm an Empathie, besonders seiner Tante gegenüber die er trotz besseren Wissens immer noch Tante nannte. Seine Grossmutter also eigentlich seine Mama, die er vergöttert hatte, war verstorben als er kurz nach seinem Studienabschluss und vor dem Umzug nach Boston stand. Bella hatte ihr ganzes Leben lang in einer subventionierten Altbauwohnung gewohnt ,es war das einzig Positive was sie je von einem ihrer Liebhaber bekommen hatte, nämlich die Zuteilung dieser Wohnung zu einem Preis der ihren knappen Gagen entsprach. Nun plötzlich musste dieses Haus einer Quartierssanierung weichen, sie stand ohne Mittel und hilflos da. Keiner ihrer zahlreichen Liebhaber war ihr geblieben, sie war alt geworden. Zwar hätte sie noch alleine wohnen können aber wo findet man eine Bleibe ohne Geld mit der Minimalrente des Staates? Trotz mehreren Anfragen kümmerte sich Eric nicht um seine „Tante“, er blieb in den Staaten, ob aus kühler Berechnung, Rache oder Kaltherzigkeit; er selbst hätte wohl nicht darauf antworten können. So musste sich der Sozialdienst um sie kümmern, sie kam in ein Alters und Pflegeheim. Sie fühlte sich schlecht in diesem Viererzimmer, mit drei Alten zusammen, die nicht etwa viel älter als sie selbst waren aber eben ,wie Jean Paul Sartre sagte“  L’enfer c’est les autres“( die Hölle sind die Anderen); dabei war sie selbst zur „Hölle“ im Heim geworden. Mit ihren Allüren als ehemals gefeierte Diva und ihrer Art sich allen Männern anzubieten hatte sie alle Frauen gegen sich aufgebracht; die Männer waren da viel kulanter. In diesem Pflegeheim, wie fast überall bestand das Personal hauptsächlich aus Ausländern, es gab da einen sehr liebenswürdigen nicht mehr ganz jungen Mann aus Sri Lanka der wegen der Probleme in seiner Heimat emigriert war und nun schon lange in Europa lebte. In diesen Mann verliebte sich unsere Bella, da er ja immer so nett und zuvorkommend war erlag sie seinem Charme und verfiel in einen Liebeswahn. Sie benahm sich wie ein Backfisch und war von ihrer Anziehungskraft felsenfest überzeugt. dass alle Mitbewohner und das gesamte Personal sich darüber göttlich amüsierten, lag nicht nur daran, dass alle wussten dass der „Erwählte“ schwul war, sondern ganz allgemein an der skurrilen Affäre.

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