Ein ganzes Leben lang, so glaubte sie, war sie im
Rampenlicht als grosse Schauspielerin gefeiert worden. Das mit Schauspielerin
stimmte bis zu einem gewissen Grad, sie hat ihr Leben lang an drittrangigen
Bühnen in kleinen Nebenrollen rumgetingelt. Und genauso war ihr Liebesleben
verlaufen. In ihrer Erinnerung hatte sie glamouröse Männer gehabt, die Realität
sah leider ganz anders aus. Ja schon mit zarten siebzehn Jahren, sie hatte gerade ihr zweites Engagement als Statistin, wurde sie vom Regieassistenten
verführt—nein nicht verführt—sie wollte ja unbedingt Karriere machen und dazu
war ihr nichts zu schade. Ihr Liebhaber wurde an ein anderes Theater berufen,
seine Karriere kam in Schwung, sie blieb geschwängert zurück, allen
Beteuerungen zum Trotz vergass er es, sie nachkommen zu lassen, ja er vergass
wohl auch ihre Existenz. Bella, so war der Name den ihre Mutter ihr gegeben
hatte. Die Mutter war nicht ganz unschuldig an ihren Träumen, denn sie hatte
ihren eigenen, nicht erfüllten, Berufswunsch dem Töchterchen eingeredet und sie
schon vorausschauend mit einem Künstlerinnen Namen versehen. Sie blieb also allein und schwanger zurück. Ein Sohn, Eric,
wurde geboren, den die Grossmutter, die zwar noch jung aber schon verwitwet
war, wie ihren eigenen Sohn aufzog; ja Eric nannte sie auch Mama, Bella war
seine Tante. Bella war, ihrem Namen gerecht ein recht hübsches und anziehendes
junges Fräulein. Damals in den Fünfzigerjahren nannte man alle unverheirateten
ob alt oder jung eben Fräulein. Es mutet heute grotesk an, dass ältere Lehrerinnen,
Krankenpflegerinnen, Serviererinnen Verkäuferinnen, Ärztinnen einfach alle unverheirateten Frauen mit
Fräulein angesprochen wurden. Einige berühmte Frauen bestanden sogar darauf,
wie Mademoiselle CHANEL,die trotz berühmter Liebhaber wie Igor Stravinsky und vielen anderen, immer
Mademoiselle blieb und auch als solche auf dem Lausanner Friedhof Bois-de-Vaux neunzehnhunderteinundsiebzig beerdigt wurde. Aber zurück zu Bella.
Durch ihre direkte und offene Art fand sie immer wieder Arbeit als
Schauspielerin in zweit und drittrangigen Theatern und Rollen. Ihre vielen Liebhaber
in die sie Karrieremöglichkeiten projizierte, waren leider auch nur drittrangig
was sie, in ihrer Verblendung, immer erst dann merkte wenn die vielen
Versprechungen sich als Fantasiegebilde oder gar krasse Lügen entpuppten. Der
einzige Lichtblick in ihrem tristen Leben war Eric, den sie noch immer als
ihren Neffen bezeichnete. Er war äusserst begabt und hatte durch sein Talent
und die Unterstützung eines Lehrers die nötigen Stipendien erhalten um ein
Wirtschaftsstudium zu machen, er schloss mit Auszeichnung ab und erhielt
deshalb ein grosszügiges Stipendium aus den USA. Ja“ The Harvard Business School „lud ihn ein
zum Weiter-Studium; er wurde in Rekordzeit Assistent Professor. Was er an
Intellekt hatte fehlte ihm an Empathie, besonders seiner Tante gegenüber die er
trotz besseren Wissens immer noch Tante nannte. Seine Grossmutter also
eigentlich seine Mama, die er vergöttert hatte, war verstorben als er kurz nach
seinem Studienabschluss und vor dem Umzug nach Boston stand. Bella hatte ihr
ganzes Leben lang in einer subventionierten Altbauwohnung gewohnt ,es war das
einzig Positive was sie je von einem ihrer Liebhaber bekommen hatte, nämlich
die Zuteilung dieser Wohnung zu einem Preis der ihren knappen Gagen entsprach.
Nun plötzlich musste dieses Haus einer Quartierssanierung weichen, sie stand
ohne Mittel und hilflos da. Keiner ihrer zahlreichen Liebhaber war ihr geblieben,
sie war alt geworden. Zwar hätte sie noch alleine wohnen können aber wo findet
man eine Bleibe ohne Geld mit der Minimalrente des Staates? Trotz mehreren
Anfragen kümmerte sich Eric nicht um seine „Tante“, er blieb in den Staaten, ob
aus kühler Berechnung, Rache oder Kaltherzigkeit; er selbst hätte wohl nicht
darauf antworten können. So musste sich der Sozialdienst um sie kümmern, sie
kam in ein Alters und Pflegeheim. Sie fühlte sich schlecht in diesem Viererzimmer,
mit drei Alten zusammen, die nicht etwa viel älter als sie selbst waren aber
eben ,wie Jean Paul Sartre sagte“
L’enfer c’est les autres“( die Hölle sind die Anderen); dabei war sie
selbst zur „Hölle“ im Heim geworden. Mit ihren Allüren als ehemals gefeierte
Diva und ihrer Art sich allen Männern anzubieten hatte sie alle Frauen gegen sich
aufgebracht; die Männer waren da viel kulanter. In diesem Pflegeheim, wie fast
überall bestand das Personal hauptsächlich aus Ausländern, es gab da einen sehr
liebenswürdigen nicht mehr ganz jungen Mann aus Sri Lanka der wegen der
Probleme in seiner Heimat emigriert war und nun schon lange in Europa lebte. In
diesen Mann verliebte sich unsere Bella, da er ja immer so nett und
zuvorkommend war erlag sie seinem Charme und verfiel in einen Liebeswahn. Sie
benahm sich wie ein Backfisch und war von ihrer Anziehungskraft felsenfest
überzeugt. dass alle Mitbewohner und das gesamte Personal sich darüber göttlich
amüsierten, lag nicht nur daran, dass alle wussten dass der „Erwählte“ schwul
war, sondern ganz allgemein an der skurrilen Affäre.
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