Donnerstag, 1. Januar 2015

Verzehrende Liebe

Sie hiess Agathe, diesen Namen hatte sie der Liebe ihrer Mutter zu englischen Kriminalromanen zu verdanken, wäre sie ein Knabe gewesen würde sie Edgard genannt worden sein. Sie hasste ihren Namen, Agathe Meier, wie tönt denn das! einfach schrecklich. Sie war schon in mittleren Jahren als ihr Schwarm, Kaspar, der stellvertretende Direktor, kündigte und zurück in seinen Beruf ging. Warum er ging hatte er ihr schon seit einiger Zeit anvertraut, er hatte sich ausgerechnet, dass eine direkte Nachfolge des schon älteren Direktors wohl schwieriger  wäre, als sich--mit  Heimvorteil—im richtigen Moment zu bewerben.                                                                                                       Es war eine halb private halb öffentliche Fortbildungsanstalt für Erwachsene die berufsbegleitend ihre Weiterbildung an  Wochenenden  und Abendkursen vorbereiten konnten, um das begehrte Diplom zu ergattern, das ihrer Karriere, so dachten sie, den nötigen Schub geben würde. Viele dieser, doch schon älteren, Studierenden waren Fortbildungs—Freaks, wenn meine Firma es bezahlt und mich auch noch, für die Kurse an  gewissen Wochentagen freistellt, nehme ich es doch mit, es ist immer gut noch ein Diplom mehr zu haben. Die anderen“ Studis“ waren gezwungen sich weiterzubilden, sonst hätten sie den rechtlichen Auflagen zur Ausbildung der Lernenden, in ihren jeweiligen Firmen  nicht mehr genügt. Durch diese unterschiedlichen Motivationen der Teilnehmer waren Konflikte automatisch vorprogrammiert. Es gab, wie überall im Leben Profilneurotiker, Kriecher, Langweiler, Träumer, Meckerer, auch viele Naive, einfach alle Charaktere der Gesellschaft. Dass diese Kursteilnehmer aus den unterschiedlichsten Berufen kamen, barg, vor allem wegen weitverbreiteter Ignoranz, ein mächtiges Potenzial für Streitigkeiten. All dies hatte den jetzigen Direktor krank gemacht, die Modediagnose „ Burn Out „ wurde gestellt und weil er kurz vor der Rente stand wurde ihm eine Frühpensionierung angeboten, die er zwar erst einmal empört ablehnte aber, insgeheim, ja gewünscht und provoziert hatte.                                                                            Die Stelle wurde ausgeschrieben, das Profil des neuen Direktors/Direktorin genau beschrieben und auch der Beginn—sofort oder nach Übereinkunft—war erwähnt worden,  in dem viertelseitengrossen-Inserat der lokalen und nationalen Sonntagspresse, sowie Online im Web.Kaspar und Agathe trafen sich nun öfter zur Koordination, es durfte ja nichts schiefgehen denn Kaspar wollte den Direktoren Stuhl und Titel und Agathe wollte Kaspar, ja sie war ihm hörig, schon seit Jahren und nun endlich zeigte er sich auch so wie sie ihn sich immer erträumt hatte. Ja Kaspar überwand seinen Widerwillen und fing mit der doch schon überreifen Agathe eine intime Beziehung an, es war hart aber leider notwendig, denn alle Bewerbungen gingen über den Schreibtisch von Agathe, es war die erste Anlaufstelle ob per Post oder elektronisch, Agathe kontrollierte alles. Und abends zwischen Tisch und Bett konnte Kaspar alle Bewerbungen studieren, lange bevor sie an die Personalabteilung der staatlichen Behörden weitergegeben wurden. Die Bewerbungen aller ihm irgendwie gefährlich scheinenden Kandidaten und vor allem Kandidatinnen—der Frauenquote wegen—verschwanden auf mysteriöse Art. Kaspar bekam den Direktiosposten, alles hatte wunderbar geklappt. Monate später kam eine Anfrage einer Kandidatin, die auf ihre Bewerbung hin nur eine lakonische Empfangsbestätigung erhalten hatte, man entschuldigte sich und gab, wie so oft, der bösen EDV die alleinige Schuld; es sei nun leider zu spät, die Ernennung des neuen Direktors sei nun schon erfolgt, aber man werde in Zukunft solche Fehler zu vermeiden wissen.                                                       Das, je nach Betrachter lustige oder traurige, Nachspiel; Agathe wurde bald darauf  eine andere staatliche Stelle irgendwo  in der Verwaltung zugewiesen. Neue Chefin des Sekretariats wurde die junge Lebenspartnerin von Kaspar. Diese junge Frau wusste von der sehr aktiven Hilfe Agathes was ihre Stellung als „Favoritin“ betonierte.


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