Samstag, 3. Januar 2015

Wann fängt eheliche Treue eigentlich an?

Es war vor sehr langer Zeit, unser Held war so etwa einundzwanzig Jahre jung. Er kam zum dritten Mal in diese Kleinstadt um in der einzigen Apotheke erneut eine Vertretung zu machen. Die ersten beiden Male war er allein, mit einem „Faktotum „einer geistig leicht behinderten Hilfskraft, in dieser alten Apotheke wo der Besitzer ihm in etwa zwanzig Minuten alles erklärte um dann schleunigst zu verschwinden. Der Apotheker war in Uniform, denn er musste als höherer Offizier ins Militär und da seine Frau, auch Apothekerin, frisch operiert im Spital lag hatte er unseren Helden durch einen Studienfreund in Zürich als Notaushilfe gefunden. Unser Held nennen wir ihn doch zur Einfachheit Georg, war eigentlich nicht als Vertretung geeignet, er war nicht Apotheker sondern Drogist, hatte aber bei diesem gemeinsamen  Freund in Zürich in der Apotheke mitgearbeitet und war zuvor in einer grossen Zürcher Apotheke angestellt gewesen, all das in weniger als zwei Jahren. Man kann schon wähnen dass er ziemlich Klever war sonst hätte ihn sein Zürcher Freund seinem Studienkollegen nicht empfohlen. Es war Winter und er konnte erst einmal in einer, leider ungeheizten, Dachkammer übernachten. Da das Wasser in der Waschschüssel eine Eisschicht hatte kam er sehr erfrischt in die Apotheke wo das Thermometer 11 Grad Celsius anzeigte. Es gab einen Kanonenofen und nach dem Einheizen wurde es angenehm warm, so gegen Mittag. In dieser Apotheke war nichts alphabetisch eingeordnet, der Chef und seine Frau wussten in welcher Lade die verlangten Medikamente versteckt waren, Georg musste suchen! Da es in diesem Städtchen keinerlei Zerstreuung gab und der Kanonenofen summte, kam Georg nach dem Nachtmahl im Restaurant nebenan, zurück und ordnete die Schubladen alphabetisch ein; meist bis nach Mitternacht und dies dauerte vom Montag bis Freitag. Am Samstag um 8:00 Uhr kam der Chef, noch in Uniform und fragte ob es Probleme gegeben habe. Georg sagte eigentlich keine unlösbaren, jedoch würde er gerne bald nach Hause fahren. Ach ja natürlich ,sagte der Chef übrigens hatten wir noch nicht über den Lohn gesprochen, hier sind schon mal fünfhundert Franken, schönes Wochenende, am Montag habe ich etwas länger Zeit, dann können wir alles besprechen.                                                               Georg konnte sein Wochenende in Zürich geniessen, war aber am Montag mit dem ersten Zug wieder da. Der Chef hatte am Samstag viel Mühe gehabt sich in der aufgeräumten Apotheke zu Recht zu finden. Er war es nicht gewohnt das ABC anzuwenden trotzdem war er von der neuen Ordnung sehr angetan. In den folgenden drei Wochen wurde alles umgeräumt, viel Altes retourniert, ganz Altes entsorgt. Die Apothekerin stand, beziehungsweise lag Georg mit Rat, aber ohne Tat, bei, hütete sie doch meist das Bett nach ihrer schweren Operation. Nach drei Wochen, man hatte sich problemlos über Lohn und Nebenkosten geeinigt, wollte der Chef Georg unbedingt  fest anstellen, zu einem exorbitanten Lohn den nicht einmal ein Apotheker verdienen würde. Er hatte gesehen dass Georg viel und gut arbeitete und sehr selbständig Initiativen ergriff. Es war nämlich geplant in einiger Zeit eine Neue Apotheke mit Ärztehaus zu bauen und der Chef sah in Georg den Idealen Organisator für die gigantische Arbeit, erst in ein Provisorium zu ziehen, dann die neue Apotheke planen und schlussendlich einrichten. Georg wollte  nicht für längere Zeit in dieser Kleinstadt versauern, war aber einverstanden noch ein bis zwei Mal zu kommen um den Umzug vorzubereiten. Und Wunder, bei seinem dritten Einsatz traf er eine Apothekenhelferin die seit einigen Wochen da arbeitete. Ein knapp dreissigjähriges Fräulein (ja damals gab‘s das noch) recht nett, hübsch und eine sehr gute Verkäuferin. Schon seit seinem zweiten Arbeitseinsatz hatte ihm der Apotheker ein Zimmer im örtlichen Hotel besorgt, sodass er von warmem Wasser und sogar einer Dusche, auf der Etage, Gebrauch machen konnte. Ursula, so hiess die Neue, und Georg arbeiteten viel zusammen, war es doch sein letzter Einsatz vor dem Umzug ins Provisorium; alles musste vorbereitet werden. Die beiden, das heisst Ursula und Georg, unterhielten sich  viel , nicht nur über die Arbeit. Mittags war die Apotheke von zwölf bis viertel nach  zwei  geschlossen, die beiden gingen zusammen essen, mal ins Tea Room mal ins Hotelrestaurant. Man kam sich bald näher und Ursula erzählte, dass sie diese Stelle angenommen hatte, weil ihr Verlobter, der zurzeit als Unteroffizier seinen Dienst in der Armee leistete aus dieser Gegend stammte und hier auch seine Arbeit als Dorfschullehrer hatte. Eines Abends, es war wohl sein dritter Arbeitstag, sagte Ursula ihm sie wolle ihm die Wohnung zeigen die sie , mit ihrem Verlobten zusammen, einrichtete. Die Wohnung lag in einem Dorf etwa acht Kilometer weit entfernt, Ursula kam immer mit dem Fahrrad zur Arbeit und an diesem Abend nahm Georg das „Apotheken Fahrrad“ das oft für Lieferungen und Botengänge genutzt wurde. Die Wohnung war sehr schön und ein wenig abgelegen vom Dorf. Ursula verführte den sich nicht sträubenden Georg in Blitzeseile, erst nach Stunden kamen sie auf die Idee etwas  essbares zu suchen, viel gab der Kühlschrank nicht her, aber genug um sie beide für die nächste Runde des Liebesspiels zu stärken. Irgendwann kam dann auch die Frage nach dem Verlobten und der Planung der Hochzeit zur Sprache. Georg war doch sehr erstaunt, dass die Hochzeit schon lange anberaumt war, sie würde in genau zwei Monaten, am Anfang der Schulferien kurz nach Ende der Dienstzeit ihres Verlobten, also bald schon des Ehemannes, sein. Georg genoss die Paar Wochen bis dahin und ging, nur zum Kleiderwechsel, morgens schnell ins Hotel. Noch heute fünfzig Jahre danach weiss Georg nicht wann die eheliche Treue beginnt; in dem Fall mit der lieben Ursula sicher erst nach der Trauung, und ob sie dann auch wirklich begann hat Georg nie erfahren. Die Reise in die Zentralschweiz war zu beschwerlich und der militärische Dienstplan, des dann neuen Ehemannes, war Georg nicht bekannt.


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