Er war mein Freund. Er, Paco, war Arzt, er hatte in Valencia,
zur Zeit der Franco-Diktatur, Medizin studiert und war sehr stolz darauf als
Sohn eines Unteroffiziers der spanischen Marine ,ob zivil oder militärisch
weiss ich nicht mehr, das Examen mit Bravour bestanden zu haben. Nach einem
knappen Jahr als Assistenzarzt in einem kleinen Provinzspital fand er durch
Freunde, die schon vor ihm ausgewandert waren, seine erste Anstellung in einem
kleinen Spital in der Westschweiz. Man muss sich vorstellen was es für einen
jungen Mann bedeutete aus dem beinahe mittelalterlichen Spanien in die moderne,
kulturell offene Schweiz zu kommen. In seinem Spital in der spanischen Provinz
waren alle Krankenschwestern Nonnen und hier nun waren es Frauen, junge
mittelalte und auch ältere Frauen aber eben Frauen. Er fühlte sich, als
einziger Assistenzarzt,so wie ein Islamist sich das Paradies vorstellt, umgeben
von tausend Jungfrauen. Jungfrauen waren die wenigsten aber erreichbar und ihm zugeneigt die meisten. Ja viele verknallten sich in diesen jungen ein wenig
exotisch anmutenden –es war Anfang der Sechzigerjahre— jungen Hidalgo. Und er,
ja er hatte ein riesiges Nachholbedürfnis, war es doch damals in Spanien fast
unmöglich, ausser mit Prostituierten, sexuelle Erfahrungen zu sammeln. Er wies
keine, aber wirklich keine ab und so kam es wie es kommen musste, ausgerechnet
eine Hilfsschwester, um einiges älter als er, wurde die Mutter seines einzig
gebliebenen Kindes, es war ein Sohn. Wie damals allgemein üblich musste er
heiraten. Sein
Schwiegervater war Metzger, er hatte eine Dorfmetzgerei und war nicht erbaut
über den ausländischen Schwiegersohn hatte er sich doch für seine Tochter einen
Metzger gewünscht der das Geschäft übernehmen würde, denn er war ein alter
Vater er hatte seine Tochter mit knapp fünfzig bekommen. Um dem Milieu dieser
Familie zu entfliehen wechselte er in ein kleines Regionalspital etwa
einhundert Kilometer und eineinhalb Stunden Autofahrt entfernt. Dieses Spital
war grösser, es beschäftigte vier andere spanische Assistenzärzte, alles
Studienkollegen. Sie alle hatten schon dasselbe erlebt, alle waren schnellstens
zum Traualtar gezerrt worden. Man stelle
sich also einmal bildhaft vor ,fünf junge gutaussehende Spanier ,die
wöchentlich sechzig bis siebzig Stunden—die damals übliche Arbeitszeit—im
Spital mit vielen jungen Frauen zusammen verbrachten und die alle ,in ihren
Augen ,reingelegt worden waren—die Antibabypille gab es damals zwar schon—aber
die Frauen wollten sich ja einen Arzt angeln! Keiner liebte seine Frau, auf die
Kinder waren sie schon sehr stolz aber Liebe ist etwas anderes und hatte, in der Kultur ihrer Heimat, nichts mit Ehe
zu tun. Die Stellung der Frau ist nicht auf Gleichberechtigung ausgerichtet wie
in der Schweiz; nein der Mann bestimmt alles. Zwei Kulturen prallten hart
aufeinander. Paco war der welcher sich in dieser Fünfergruppe am wenigster im
Griff hatte, er war absolut triebhaft, denn er liebte die Frauen, alle Frauen,
bis zum Wahnsinn. Und das wurde ihm ein Leben lang zum Verhängnis. Als ich ihn
kennenlernte war er also Assistenzarzt und ich war junger
Aussendienstmittarbeiter einer Pharmafirma. Wir waren uns sofort sympathisch,
ich war ein begeisterter Spanienreisender und hatte mit allen seinen Kollegen
beste Kontakte. Im Laufe der Jahre gab es einige dieser Spanischen Ärzte die
eine eigene Praxis eröffnen konnten, es herrschte damals ein grosser
Ärztemangel vor allem in ländlichen Gegenden, andere gingen zurück nach
Spanien. Neue Spanier kamen man gab sich die Adresse weiterund alle sowohl die
Chefärzte wie auch die Assistenten waren zufrieden. Eines Tages kam Paco, früh
morgens nach einer nicht allein verbrachten Nacht, also nicht vom Dienst, nach
Hause. Er fand die Wohnung leer keine Möbel keine Bilder nicht einmal Gardienen
waren da geblieben, ausser einem Berg
mitten im Wohnzimmer mit allen seinen persönlichen Sachen, Lehrbücher Kleider
Fotoapparat Ordner mit Dokumenten Schmutzwäsche Tennisschläger Skis einfach
alles was seine Frau nicht brauchen oder verwerten konnte. Es kam zur Scheidung, dass er
seinen Sohn jahrelang fast nie sehen konnte war das einzige was ihm fehlte und
natürlich das Geld das er zahlen musste. Paco konnte, mit Hilfe eines
Grossindustriellen in einem Dorf nahe der französischen Grenze eine Praxis
eröffnen. Die Praxis war recht profitabel. Jedes Mal wenn ich in die Gegend kam
um meine Kunden zu betreuen, lud er mich ein um mit ihm zu Mittag zu essen oder,
öfter noch, den Abend im Nahen Frankreich zu verbringen. Er kannte alle guten
Restaurants der weiteren Umgebung und liebte luxuriös zu speisen. Aber vor
allem kannte er alle auch noch so kleinen Nachtlokale, Bars, Dancings und
Absteigen. Oft waren solche durchzechten
Nächte sehr amüsant, manchmal auch recht nervig. Er fuhr auch wenn er reichlich
getrunken hatte erstaunlich sicher mit seinem grossen BMW. Ja der BMW war sein grösster Stolz, so ein Auto mit Klimaanlage war
damals noch sehr selten, wenn es heiss war fuhr er einfach in der Gegend rum um
sich abzukühlen. Schon damals als es noch sehr exklusiv war flog er oft nach
Thailand um sich dort der Jugend zu widmen.
Jetzt wo er Geld hatte, und nicht mehr im
Harem(Spital) arbeitete, ist durch seine Lokalkenntnis sein Jagdgebiet viel
grösser geworden, die Ansprüche seiner „Gespielinnen“ sind oft ins
Unermessliche gestiegen. Er war ihr williges Opfer. Paco liess sich immer mal
wieder von irgendeiner „Dame“ einlullen,
glaubte nun endliche die richtige, echte, ehrliche Liebe gefunden zu haben und
liess sich ausnehmen wie eine junge Weihnachtsgans. Er war so blind, dass er
einmal fast eine notorische Nutte geheiratet hätte, nur die muskulöse
Intervention ihres Zuhälters hat ihn, zum Preis eines blauen Auges, davor
bewahrt. Durch meine berufliche Veränderung habe ich ihn dann aus den Augen
verloren aber immer wieder einmal
Episoden über sein Leben gehört. Er ist vor einigen Jahren gestorben,
die Gegend ist seither um eine schillernde Persönlichkeit ärmer.
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